Emanzipatorisches Recht? Chancen und Grenzen sozialer Bewegungen am Beispiel der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Argentinien

Ilse Koza

Am 21.7.2010 unterzeichnete die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die Gesetzesänderung des Código Civil und öffnete damit das Eheinstitut als erstes lateinamerikanisches Land für gleichgeschlechtliche Paare. Diese jüngsten familienrechtlichen Reformen reihen sich damit in einen sich abzeichnenden politischen und rechtlichen Paradigmenwechsel ein, der darüber hinaus zum Wandel traditioneller Vorstellungen von Beziehung, Familie und Gender-Identität beiträgt.

Die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nahm ihren Ausgang in Buenos Aires mit dem 2002 geschaffenen Institut der Unión Civil, das ähnlich wie die österreichische Eingetragene Partnerschaft, ein eigenes Rechtsinstitut schaffte. Weitere rechtliche Instrumentarien, darunter auch der Weg über höchstgerichtliche Entscheidungen, wurden strategisch eingesetzt, bis Argentinien als erstes Land Lateinamerikas bundesweit das Eheinstitut öffnete. Der rechtliche Anerkennungsprozess verlief daher ähnlich wie in vielen Ländern Europas in Etappen. Der Analyse liegt hierbei die These zu Grunde, dass diese im Recht eingeschriebenen Diskurse umkämpft sind und Recht von sozialen Bewegungen – sowie der LSBTQ-Community – als emanzipatorisches Instrument nutzbar gemacht werden kann.

Der Vortrag zeigt auf, welche Einflussfaktoren hierfür relevant waren und inwieweit bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen (darunter etwa die Rolle der Verfassungsreform 1994) hierbei begünstigend und emanzipatorisch wirken können. Zugleich wird auf die Ambivalenz der Hegemoniekämpfe im und ums Recht aus queertheoretischer Perspektive hingewiesen. Denn mit der Inklusion in bestehende Rechtskonzepte werden diesen zu Grunde liegenden normativen Diskurse (Heteronormativität der Ehe) geradezu perpetuiert.  Dem wird entgegengehalten, dass eine Öffnung des Eheinstituts durchaus zu einer normativen Verschiebung beitragen könnte, indem herrschende Strukturen zwar nicht gänzlich aufgebrochen werden, aber zumindest neu besetzt und um neue Subjekte ergänzt werden.

Es stellt sich daher abschließend die Frage wie ein subversives Projekt die Teilnahme am Rechtsdiskurs gestalten kann, um dessen emanzipatorisches Potential zu nutzen.

Ilse Koza: Rechtswissenschaftlerin, Politikwissenschafterin, Diplomstudium der Romanistik, Doktorat der Rechtswissenschaften (Thema: Der Familienbegriff im Wandel am Beispiel der Adoption in Österreich und Argentinien); Ass. am Institut für Europarecht in der Abteilung für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Einheitsrecht; Forschungsaufenthalte und Vortragstätigkeiten in Europa und Lateinamerika; Arbeitsschwerpunkte: Rechtsvergleichendes Familienrecht, Queertheorie, Kritische Rechtsvergleichung,

e-mail: ilse.koza@univie.ac.at