Extraktivismus in Lateinamerika – eine Einführung in die wissenschaftliche Debatte

Zeljko Crncic und Sebastian Matthes

In vielen Ländern Lateinamerikas sind in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Sowohl neoliberale als auch progressive Regierungen profitieren von den hohen Gewinnen, die mit Öl, Edelmetallen, Gas, Soja oder Palmölprodukten derzeit auf den Weltmärkten erzielt werden können.

Bei der Bewertung dieses Booms gehen die Meinungen jedoch stark auseinander. Seitens der Regierungen wird auf die positiven Effekte und Chancen auch und gerade für die ärmeren Bevölkerungssektoren verwiesen, die durch eine Umverteilung in Ländern wie Ecuador oder Bolivien in den Genuss von Sozialleistungen kommen. Die Kritiker dieses Trends halten v.a. mit dem Argument dagegen, dass die Umwelt und die Lebensräume vieler Menschen durch diese Praktiken geschädigt werden. Weiterhin sei durch den Extraktivismus, der die Abhängigkeit von den Weltmärkten weiter verstärke, kein Anstoß zu einer Neugestaltung der ökonomischen Ordnung der Region zu erwarten.

Der Beitrag fasst die Debatte aus Sicht lateinamerikanischer Autorinnen und Autoren zusammen. In einem zweiten Schritt werden empirische Daten präsentiert, um die vorgetragen Thesen und Aspekte in Zahlen zu illustrieren. Beispielhaft soll dabei auf die Andenländer Ecuador und Bolivien eingegangen werden. Anhand der beiden Fälle sollen die Einwände gegen das Modell, auch im Hinblick auf die jüngsten Verfassungsreformen in den beiden Ländern und den darin formulierten Ansprüchen, überprüft werden. Weiterhin werden innergesellschaftliche Konfliktpotentiale im Zusammenhang mit dem Extraktivismus ausgelotet.

Zeljko Crncic ist wissenschaftlicher Koordinator am Promotionskolleg Global Social Policies and Governance in Kassel. Er promovierte im Fachbereich Soziologie an der Philipps-Universität Marburg, Thema der Arbeit: Die indigene Bewegung Ecuadors – Mechanismen des Framings und der Nutzung politischer Gelegenheitsstrukturen.

Sebastian Matthes ist Doktorand am Kolleg Global Social Policies and Governance in Kassel. Seine Dissertation handelt von den Grenzen der Anerkennung: Die politischen und sozio-ökonomischen Auswirkungen des (Neo-)Extraktivismus in Lateinamerika im Hinblick auf die indigenen Völker in Bolivien und Ecuador.

Kontakt: s.matthes@uni-kassel.de, crncic@uni-kassel.de