Inszenierung des Neo-Extraktivismus transnationaler Bergbauunternehmen in Mexiko
Christine Esterbauer
Der traditionelle Extraktivismus in Mexiko, praktiziert von externen Imperial- und Wirtschaftsmächten, hatte bereits vor Jahrzehnten seine tatsächlichen Ausmaße gezeigt, welche von verheerenden Umweltfolgen, Menschenrechtsverletzungen, Korruption bis zur Zerstörung nationaler Wirtschaftsstrukturen reichten, und dessen Ursprünge bereits auf das Kolonialreich zurückgehen. Umso verwunderlicher wirkt es, dass trotz tiefgehender Kritik, sowohl aus einer eher traditionellen makroökonomischen Sicht (resource curse) als auch auf Seiten der Dependenztheorie und des Importsubstitutionsmodells, das Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts wesentlich zum wirtschaftlichen Aufstieg Mexikos beitrug, sich erneut die exzessive Rohstoffförderung als Zugpferd profitablen Wachstums privater Unternehmen durchsetzen konnte.
In der Präsentation soll genauer auf die häufig angeführten Argumentationsstrukturen eingegangen werden, welche diesen Wandel befürworten, wobei mit „Inszenierung“ auf das Bild angespielt wird, mit dem private Bergbauunternehmen ihr Vorgehen rechtfertigen. Es geht um einen angestrengten Imagewandel, der neue Diskurse schafft, die sich unter anderem in der Selbstdarstellung der Firmen, in der mexikanischen Wirtschaftspolitik und in den Positionen der Weltbank wiederfinden. Diese Standpunkte werden einer kritischen Analyse unterzogen. Es wird aber auch auf die Wahrnehmung besagter Argumentationsstrukturen seitens der ArbeiterInnen(-organisationen) eingegangen. So gilt etwa die Schaffung neuer Arbeitsplätze in wirtschaftlich schwachen Regionen als wichtiger Wachstumsimpuls, und Corporate Social Responsability soll die sozialen Bedürfnisse der ArbeiterInnen abdecken. Die Unumgänglichkeit der Rohstoffförderung für das ökonomische Fortkommen der Nation erscheint als Grundkonsens aller Akteure.
Hinter diesen Positionen versteckt sich ein Paradigmenwechsel, der darauf abzielt, die Reste des Sozialstaates abzubauen und Gewerkschaften auszulöschen. Staatliche Institutionen und die Bevölkerung sollen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu privaten Akteuren gedrängt werden. Gleichzeitig handelt es sich dabei um traditionelle Machtpolitik, welche auf Ressourcenkontrolle basiert und im Falle Mexikos von den transnationalen Unternehmen in Kooperation mit der Regierung betrieben wird.
Christine Esterbauer studierte Kultur- und Sozialanthropologie und Politikwissenschaft an der Universität Wien und schloss eine Maestría en Estudios Políticos y Sociales an der UNAM ab. Derzeit ist sie Doktorandin der Politikwissenschaft an der Universität Wien. Sie spezialisierte sich auf gewerkschaftliche Proteste in Mexiko, im Besonderen der Berg- und Metallarbeiter, politische Bildung im Arbeitsrecht und Neue Soziale Bewegungen. Sie arbeitete zwei Jahre lang für das Centro de Reflexión y Acción Laboral in Mexico City im Bereich Bildung und Arbeitsrecht.
Kontakt: christineest@gmx.at