Arbeitskreis laboratorio urbano
Koordination: Andreas Hofer und Judith Lehner
Städte können vernachlässigt und heruntergewirtschaftet, verroht, dreckig und verfallen sein. Dennoch glauben viele Menschen, dass es sich lohnt, in der Stadt zu leben. Auch die schlimmste ist ihnen noch gut genug. Warum? Weil die Städte ein Potenzial besitzen, das es uns erlaubt, uns als menschliche Wesen komplexer zu entfalten. Die Stadt ist ein Ort in dem man lernen kann, mit Fremden zu leben, an nicht vertrauten und unbekannten Erfahrungen und Interessen anderer teilzuhaben. Richard Sennett, 2001
Fokus des Arbeitskreises laboratorio urbano ist eine transdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Lebensraum Stadt auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Dabei steht die Rolle der Städte als positive Impulsgeber für Tendenzen und Stimmungen, für Signale und Entwicklungen im Vordergrund.
Die lateinamerikanische Stadt hat in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Dynamik entwickelt, die unvermindert anhält. Dadurch sind die weltweit höchsten Urbanisierungsraten mit all ihren Konsequenzen entstanden. Der Konsum von Landschaft durch das anhaltende Stadtwachstum geht dabei mit der Transformation von einer ruralen zu einer urbanen Gesellschaft einher. In diesem Kontext werden informelle Entwicklungen wirksam, die die lateinamerikanische Stadt zunehmend prägen. Dieser dynamische Entwicklungsprozess wird von ethnischen, sozialen, ökonomischen und politischen Aspekten beeinflusst und durch Selbstorganisation auf lokaler Ebene gelenkt. Daraus entsteht eine urbane Realität, die bei einem augenscheinlichen Chaos stets ihren inneren Gesetzmäßigkeiten folgt. Als Resultate präsentieren sich lebendige und flexible urbane Strukturen, deren offensichtlich provisorische Charakteristika für Millionen von StadtbewohnerInnen zu einem permanenten Lebensraum und -alltag werden.
Und dennoch: genau diese unübersichtlichen Strukturen tragen immer wieder dazu bei, dass Städte zu Impulsgebern für innovative Entwicklungen werden: Städte akkumulieren die Tendenz zu sozialer oder ökologischer Neuorientierung (Porto Alegre, Curitiba), Städte manifestieren den Willen zur politischen Umgestaltung (Caracas, La Paz), Städte demonstrieren Zentralität und wirtschaftliche Kraft (São Paulo, Mexico DF), Städte praktizieren selbstreflexive Lösungen zur Erneuerung (Medellín). Städte sind vielfach auch zu symbolhaften Referenzen geworden (Rio 1992) oder nehmen eine künftige Herausforderung vorweg (Rio 2016). Die Stadt steht ganz im Sinn von Sennet im Brennpunkt des Handelns und Agierens ihrer AkteurInnen. Die Stadt wird somit zum Laboratorium für das Neue, für das Unerprobte, für el futuro soñado.
Der Arbeitskreis laboratorio urbano diskutiert Forschungsergebnisse, Projektberichte und Praxisbeiträge zur innovativen und impulsgebenden Gestaltung des Lebensraums Stadt in Lateinamerika. Beiträge aus sämtlichen Themenbereichen, Disziplinen und Professionen sind angesprochen: • soziale Entwicklung und soziale Gerechtigkeit • Raumproduktion und Mobilität • Umgang mit Ressourcen und Energie • Literatur und Philosophie • Kunst und Kultur • Staat versus Zivilgesellschaft und andere.
DI Judith Lehner judith.lehner@tuwien.ac.at
Jg. 1982, Grieskirchen / Oberösterreich, Architekturstudium in Wien, Sevilla und Buenos Aires, seit 2008 bei Karl und Bremhorst Architekten, Univ. Lektorin am Fachbereich Städtebau der TU Wien, Doktorandin an der HCU Hamburg.
Dr. Andreas Hofer andreas.hofer@tuwien.ac.at
Jg. 1963, stammt aus St. Aegyd in Niederösterreich, Architekturstudium in Wien und Bogotá, Assistenzprofessor am Fachbereich Städtebau der TU Wien, Lehre, Forschung und Texte zu Stadtentwicklung in Lateinamerika