Recuperadores urbanos in Buenos Aires: Recyclingmaterialsammler-Kooperativen und ihre Livelihood-Strategien im öffentlichen Raum
Robert Hafner
Die „Humanisierung des öffentlichen Raums“ stellt zur Zeit eines der zentralen (Marketing-)Themen der Stadtregierung Macri II in Buenos Aires dar. Projekte zu Infrastruktur, Kunst und Kultur, Sauberkeit in den Straßen, Parks und auf den Plätzen werden auf unterschiedlichsten Veranstaltungen debattiert und analysiert. Ein wichtiger, jedoch nicht auf der politischen Agenda aufscheinender Aspekt sind die recuperadores urbanos (urbane Recyclingmaterialsammler) in den Straßen der Megastadt, deren Tätigkeit im öffentlichen Raum durch die Wirtschaftskrise 2000/2001 in Argentinien erstmals von der breiten Masse wahrgenommen wurde.
Mittlerweile treten die Materialsammler aus der Illegalität und Informalität heraus; die Gründung von Materialsammler-Kooperativen ist erlaubt; eine Diversifizierung der vormals als „homogenen Masse“ angesehenen Randgruppe der Gesellschaft wird im zunehmenden Maße registriert. In diesem Zusammenhang – auf dem Weg zur Formalisierung und im Spannungsfeld zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit – werden Livelihoodstrategien vier Materialsammler-Kooperativen in Buenos Aires präsentiert. In einem ersten Schritt wird aufgezeigt, wie durch unterschiedliche persönliche Hintergründe und Ideologien Bewegungen im sozialen Raum ermöglicht werden. Verschiedene Organisationsstrukturen und Selbstdefinitionen entstehen, die direkte Auswirkungen auf das Auftreten und die Arbeitsweise im öffentlichen Raum haben. Synergien und Konflikte um Raum und Recyclingmaterial zwischen Kooperativen und mit Nachbarn und auf lokaler Ebene werden thematisiert.
Zweitens, gewollte (Un-)Sichtbarkeit sowohl im physischen Ambiente wie auch im sozialen und politischen Feld kann dabei nicht monoskalar betrachtet werden; je nach Kooperative manifestieren sich Aktion, Reaktion und Interaktion mit Nachbarn, anderen Materialsammlern, und politischen Repräsentanten sowie (inter-)nationalen NGOs auf unterschiedlichen Skalen in unterschiedlicher Intensität, jedoch immer mit der Frage nach Rechten im und die Nutzung von öffentlichem Raum. Dies kann in der Form von Aneignung und Besetzung von Gehsteigen, Plätzen und Straßen (und somit der Negierung von räumlich-planerischen Strukturen der Repräsentationen von Räumen), über implizite Cooperative Social Responsibility, bis hin zur politischen Zusammenarbeit mit Stadt- und Nationalregierung führen.
Die Darlegung der unterschiedlichen Kooperativen-Strategien und deren Umsetzung soll somit einen Einblick in die gegenwärtige sozio-ökonomische und politische Entwicklung um öffentlichen Raum in Buenos Aires geben. Je nach Habitus und persönlichem Hintergrund der Akteure entwickeln sich Synergie- und Konfliktpotentiale, die sich auf multiplen Ebenen offensichtlich oder implizit manifestieren.
Robert Hafner, BA im International Programme for European Studies an der Malmö University, Schweden; Studierender des MSc.-Studiengangs Geographie: Globaler Wandel Regionale Nachhaltigkeit mit den Vertiefungsrichtungen Entwicklungsforschung und Stadt- und Regionalforschung an der Universität Innsbruck, Österreich und des BSc.-Studiengangs Wirtschaftswissenschaften an der FernUniversität Hagen, Deutschland; Auslandssemester im Rahmen des ERASMUS-Programm an der Roskilde University, Dänemark und an der Universidad de León, Spanien; weitere Auslandsaufenthalte zu Feldforschungen in Buenos Aires, Argentinien, im Rahmen der Bachelor-Arbeit zum Thema: „Buenos Aires: European cultural capital – a drama about perception, place and identity“ und im Rahmen der Master-Arbeit zum Thema: „Recuperadores urbanos in Buenos Aires: Recyclingmaterialsammler-Kooperativen und ihre Livelihood-Strategien im öffentlichen Raum“; diverse Praktika und weitere Berufserfahrungen in Buenos Aires, Argentinien.
robert.hafner@student.uibk.ac.at