Brasilien zwischen Agrobusiness und Agrarreform
Benjamin Daxl
Obwohl Brasilien auch einen substantiellen Abbau von natürlichen Ressourcen betreibt, fokussiert dieser Vortrag auf den Anbau von agrarischen Rohstoffen. Indem Exportgüter wie beispielsweise Ethanol und Soja dem Abbau von Bodenschätzen gegenübergestellt werde, wird ein kontrastierendes Bild im Vergleich zu den Entwicklungen anderer Staaten Lateinamerikas gezeichnet. Das Agrobusiness wird als Form des Extraktivismus interpretiert. Die rasante Entwicklung des brasilianischen Agrobusiness im letzten Vierteljahrhundert bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich die Fortschreibung eines von Weltmarkttendenzen bestimmten Entwicklungsmodells: der kolonialen Plantagenökonomie.
Für die nationale Entwicklung Brasiliens war und ist die Lösung der Agrarfrage von großer Bedeutung. Dabei verfolgt die Regierung zwei unterschiedliche und widersprüchliche Ansätze: zum einen fördert sie die kapitalistische Landwirtschaft im Rahmen ihrer Bestrebungen, eine globale Energie- und Rohstoffmacht zu werden; zum anderen versucht sie durch die Umsetzung einer Agrarreform eine landwirtschaftliche Lebensgrundlage für Millionen von Menschen zu schaffen. In diesem Spannungsfeld entstehen vielfältige Konflikte: nicht nur zwischen Landlosenbewegung, Agraroligarchie und staatlichen Behörden, sondern auch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessen und letztlich zwischen Mensch und Umwelt.
Insbesondere die Betrachtung des öffentlichen Diskurses über die landwirtschaftliche Entwicklung und den Rohstoffexport soll Aufschluss über Möglichkeiten zur Veränderung des bestehenden Modells geben, aber auch die Grenzen bei der Überwindung einer historisch gewachsenen Wirtschafts- und Sozialstruktur aufzeigen. Als Grundlage dient dabei eine im Rahmen der Diplomarbeit im Süden bzw. Südosten Brasiliens durchgeführte Feldforschung zum Thema „Landkonflikte im Umfeld moderner Plantagenökonomien als Auswirkungen des Kolonialismus“.
Benjamin Daxl, geboren 1985 in Wattens/Tirol, studiert seit 2006 Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und seit 2008 Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Von 2007 bis 2010 war er Projektmitarbeiter im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Aufenthalte in Brasilien 2005 – 2006 und 2010 – 2011.
Kontakt: benjamin.daxl@hotmail.com